Ein bissl Strafe muss halt sein - oder wie erschaffe ich einen Stoffhund?

 

Wenn der Hund nicht tut, was er soll, braucht es eben etwas Strafe.

 

Es wird suggeriert, dass Hunde diese Form der Erziehung unbedingt brauchen, denn ohne Grenzen bricht schnell das Streben nach Dominanz beim Hund aus.

Strafe, die entweder Angst macht, einschüchtern soll, damit du an dein Ziel kommst, oder die frustriert, denn wer nicht „hören“ kann, der darf sich auch nicht gut fühlen, indem wir seine Bedürfnisse erfüllen, sind daher im "modernen" Hundetraining notwendig.

 

Aber, und das ist ganz entscheidend, all diese „kleinen“ Strafen seinen wohlwollend, fügen keinesfalls irgendwelche Schmerzen hinzu, sondern sind nur Hinweise für den Hund, damit er sich richtig einzufügen weiß.

 

Beispiel sog. Erziehungsgeschirre und/oder Sprühhalsbänder oder der klitzekleine Pikser in die Flanken.

Der Hund und sein Mensch haben eine jahrelange Leidensgeschichte mit fürchterlichem Leinenspetakel und vor allem Zug an der Leine hinter sich und mit diesen: „völlig gewaltfreien“ Geschirren und Halsbändern ändert sich das Verhalten des Hundes quasi über Nacht.

 

Wie kann das sein?

Ein Verhalten entsteht ja nur dann, wenn es dafür einen Grund gibt. Tiere „verhalten“ sich nicht ohne Grund, denn das wäre sinnlose Energieverschwendung.

Umgibt diese Gerätschaften also wirklich eine für uns unsichtbare psychologische Komponente, wie es uns die Werbung verspricht?

 

Natürlich nicht, 

sondern sie fügen sehr wohl Schmerzen zu, insbesondere viele der Erziehungsgeschirre drücken extrem in Schulter- und Halsbereiche. 
Und nein, Aussagen wie „Hunde seien nicht zimperlich, die halten sowas aus“ sind ein Widerspruch in sich.
Würden die empfundenen Schmerzen nicht schlimm genug sein, würden wir auch keine so plötzlich brav an der Leine gehenden Hunde sehen.

 

Die Sprühhalsbänder funktionieren über „Erschrecken“ und auch hier wird gesagt, dass das ja wirklich keine Gewalt sei. Naja, stellen wir uns einmal vor, dass Du mit deinen Lieben spazieren gehst und das in ständiger Angst davor, dass Jemand dir eine überaus gefährliche Spinne auf die Schulter setzt....
Ja, das Verhalten deines Hundes ändert sich nur, wenn er genau dieses Gefühl hat, auch wenn Du meinst, das wäre ja nur ein bissl Wasser.

Der Hund setzt sich nicht sofort, eine „harmloser“ Pikser mit deinem Finger in die Flanken und schwups, dein Hund sitzt brav.
Wäre dieser Pikser wirklich so harmlos, würde er eigentlich nur „ein Hinweis“ sein, glaubst du ehrlich, dein Hund dir „folgen“? Nein, es ist mindestens sehr unangenehm und je nachdem durchaus schmerzhaft. Das Ganze funktioniert nur, weil dein Hund sich von dir bedroht fühlt, am Ende Angst um sein Leben bekommt.

Du glaubst, ich übertreibe?
Versetze dich doch in die Lage: "Was würden diese andauernden Repressalien mit dir machen?"

Mal ganz davon abgesehen, dass diese ständige Grundangst vor Unangenehmen nicht eben zu einem glücklichen Leben beiträgt, du wirst auch immer gehemmter werden. 

Du wirst immer weniger „Verhalten“ zeigen, denn wer weiß, ob das nicht wieder irgendwelche solcher „kleiner“ Strafen zur Folge haben wird?

Am Ende sehen wir ein nach Außen ruhiges, angepasstes Tier. 
Kaum noch zu unterscheiden von einem Stoffhund.

 

Und nun?

 

Es kann ja nicht sein, dass wir das nur mit Leckerlieschmeißen besser machen.

Naja, ganz so einfach ist es dann doch nicht.

 

Bedürfnisorientiertes und belohnungsbasiertes Training bedeutet, dass wir dem Hund alternative Verhalten beibringen,
also Dinge, die er anstatt den von uns unerwünschten Verhalten tun kann.

Verhalten, die ihn nicht frustrieren, die er annehmen kann, 
weil sie der Motivation entsprechen und mit positiven Gefühlen trainiert und genügend geübt wurden.

Wir verstärken Verhalten, die wir als noch akzeptabel erachten und   verdrängen damit das unerwünschte Verhalten.

 

Ja, dazu bedarf es ein wenig Wissen über die Körpersprache von Hunden, die Lerntheorie und nicht zuletzt gute Beobachtung des jeweiligen Individuums.

 

Und es ist durchaus mit etwas Anstrengung verbunden, denn einfach nur im Sitzen eine scheppernde Dose zum Erschrecken werfen, damit das Tier aufhört zu bellen, ist sicher leichter, aber eben mit Nebenwirkungen verbunden.

 

Es ist an dir zu entscheiden, ob du einen völlig gehemmten und angsterfüllten "Stoff-" Hund an deiner Seite möchtest, oder einen Begleiter, der mit dir vertrauensvoll und glücklich durchs Leben geht.

 

Heike Schuh ©2023